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Mbali Dhlamini (*1990 in Johannesburg, Südafrika, lebt in Johannesburg) arbeitet multimedial, fotografisch und zeitbasiert. Von 2008 bis 2013 studierte sie Visual Arts an der Universität Johannesburg. Ihr anschließendes Studium an der University of the Witwatersrand, Johannesburg, schloss sie im Jahr 2015 mit dem Master of Arts ab. 2021 war Mbali Dhlamini als Artist in Residence der Embassy of Foreign Artists in Genf zu Gast, sowie als Residency an den von Kehinde Wiley gegründeten Black Rock Studios, Dakar, Senegal. Dhlamini ist, gemeinsam mit dem Künstler Phumulani Ntuli, Organisatorin des Preempt Group Collective, das vom Javett Art Centre der Universität Pretoria mit dem Visionary Award 2021/2022 ausgezeichnet wurde. Das Preempt Group Collective ist ein multidisziplinäres Kollektiv, das an der Schnittstelle von Archiven, Transmedia- und Open-Source-Technologien arbeitet. Dhlamini wird von der Galerie Sakhile&Me, Frankfurt, vertreten.
In ihrem Werk beschäftigt Dhlamini sich mit postkolonialen Fragen: mit zeitgenössischen Lebensformen der Spiritualität und dem Handwerk des Indigofärbens in Senegal, mit den Zeugnissen und den Folgen von Kolonialismus und Missionierung in (Süd)Afrika, mit den Überlieferungen indigener Philosophie und visueller Kultur wie auch mit der Funktion von Sprache als Medium von Verstehen und Wissensbildung.
Ausgangspunkt der kulturellen Recherchen und der künstlerischen Praxis von Mbali Dhlamini ist die unauflösliche Verschränkung religiöser Traditionen in Südafrika mit postkolonialen Fragen. In fotografischen Serien, Videos und Installationen befragt sie zeitgenössische Lebensformen der Spiritualität und das Handwerk des Indigofärbens in Senegal, die Zeugnisse und die Folgen von Kolonialismus und Missionierung in (Süd)Afrika, sie reflektiert die Überlieferungen indigener Philosophie und visueller Kultur wie auch die der Funktion von Sprache als Medium von Verstehen und Wissensbildung.
In Erweiterung ihrer visuellen, taktilen und diskursiven Recherchen zu zeitgenössischen indigenen Praktiken ist Dhlamini auch in verschiedenen Künstler*innenkollektiven sowie in multimedialen, kooperativen Kunstprojekten aktiv. Seit 2018 ist Dhlamini darüber hinaus als Lehrbeauftragte an der University of Witwatersrand, Johannesburg, tätig. [https://mbalidhlamini.com/]
„Die Fokussierung auf Objekte oder Materialität als eine Möglichkeit, gleichzeitig historische Erfahrungen Schwarzer Frauen zu betrachten, geht einher mit einer strategischen Neuorientierung, die Dhlaminis Arbeiten immer wieder durchlaufen. Diese seltsamen, aber vertrauten Orte der materiellen Objekte und der Schwarzen weiblichen Präsenz, die immer schon auf das Eigentum eines anderen reduziert werden kann, sind das unausgesprochene und unterschwellige Thema, das Dhlaminis Projekte durchzieht.“ (Athi Mongezeleli Joja)
Serie Look into (s. Installation-Views)
Drei Fotografien:
Untitled - Afrique Occidentale, Fille Ouolof, 2021
Untitled - Dakar, Jeune Fille, 2021
Untitled - Afrique Occidentale, Jeune Femme, 2017
Im Rahmen einer Künstlerresidenz in Dakar, Senegal, hat Dhlamini sich 2017 mit der kulturellen Bedeutung der Indigopflanze sowie mit historischen Fotografien beschäftigt, die im Titel geografische, ethnografische und kulturelle Zuordnungen nahelegen. 2021 konnte Dhlamini noch einmal für einen Forschungsaufenthalt in den Senegal zurückkehren, hier entstanden ein Wandbild aus Indigopigmenten und Zeichnungen.
Bei den Fotografien der Serie Look into handelt sich zumeist um Fotografien aus Nachlässen oder Postkarten aus der Zeit um 1900, scheinbar oder tatsächlich entstanden zum Zweck der ethnografischen Dokumentation, häufig jedoch dienten sie erotischen Zwecken. Fille Ouolof etwa bezieht sich auf eine große ethnische Gruppe, die hauptsächlich im Senegal, in Gambia und Mauretanien lebt. „Ouolof“ oder englisch „Wolof“ ist eine Sprache, die im Senegal von einem großen Teil der Bevölkerung gesprochen wird. Afrique Occidentale, der Titel eines weiteren Fotos der Serie, also Westafrika, umfasst u.a. Senegal, Nigeria, Ghana, Mali, Elfenbeinküste, Burkina Faso.
Aus der Schwärze unkenntlicher Räume treten in den Fotografien von Mbali Dhlamini Frauenfiguren in den Vordergrund, die jedoch nur durch ihre traditionellen, indigofarbenen Gewänder und über die Bildtitel als Frauen verschiedener indigener westafrikanischer Communities identifizierbar sind. Ihre Haut verschmilzt mit dem Dunkel des Bildgrunds, jegliche kulturelle oder persönliche Authentizität ist in ein rassistisch konnotiertes Nirgendwo hinein aufgelöst. Die Zuschreibungen, wie sie für ethnische Fotodokumente der Kolonialzeit verwendet wurden, entziehen den Personen, die wir in den Fotografien von Mbali Dhlamini nicht aufhören zu suchen, endgültig den Boden gelebter Individualität. Dhlamini setzt ihre kritische Thematisierung der Auslöschung Schwarzer Individualität und Geschichte medial mittels digitaler Bearbeitung historischer Bildvorlagen um. Die Aufhebung der Grenze zwischen femininer Physis und Bildraum zwingt uns als Betrachter*innen, die Vorstellungen von Person und Identität der Porträtierten gleichsam imaginär in unserer Vorstellung zu ergänzen.
"Die Titel, mit denen viele Bilder in historischen Archiven beschrieben und beschriftet sind, haben meine Recherchen angeregt. Ich befasse mich mit diesen Titeln, um künstlerische Interpretationen zu entwickeln, um die Bilder zu überdenken und umzubenennen. Durch diesen Prozess stelle ich die Frage: Wie gibt man den damals Porträtierten ihre Bilder zurück? Wie zieht man Bilder zurück, die ohne das Einverständnis des Betroffenen aufgenommen und öffentlich geteilt wurden? Welche Bedeutung haben diese Bilder, die in kolonialen Archiven und Museen außerhalb ihres Herkunftslandes existieren? Können die Bilder gelöscht werden? Oder wie kann man vielmehr das Bild und seinen Platz in der Geschichte neu definieren?" (M.D.) [https://www.eofa.ch/en/resident/mbali-dhlamini-2/]
„Durch ihre Überarbeitung der Fotografien revidiert Dhlamini den Aufnahmen eingeschriebene Mechanismen wie das koloniale Zeigen und Ausstellen Schwarzer, weiblicher Körper. Die Aufmerksamkeit verlagert sich auf die bunt gemusterten Gewänder, die in den indigenen Communities Senegals gesellschaftliche Codes und kulturelle Bedeutungen vermittelten. In Look Into, wie oftmals in Dhlaminis Arbeiten, vollzieht sich ein Prozess des Verlernens und Wiedererlernens, um vermeintlich etabliertes Wissen zu hinterfragen und bildliche Repräsentationen in anderer Weise lesbar zu machen.“ (Nadine Henrich)
Serie Go Bipa Mpa Ka Mabele (s. Installation-Views)
Zwei Fotografien:
Bugubedu II, 2020
Ya fanang ka seatla se bulehileng otla hlonolofatswa, 2020
Seit 2013, zunächst im Rahmen einer Einzelausstellung in Johannesburg, begegnen im Werk von Mbali Dhlamni transluzente Gewänder, als leere Hüllen im Raum hängend und, in Videos und fotografischen Serien, von der Künstlerin selbst getragen. Diese Arbeiten thematisieren den Körper Schwarzer Frauen aus postkolonialer Perspektive und beziehen sich zugleich auf die sogenannten Seaparo, lange weite Gewänder, welche die Frauen religiöser Gemeinschaften in Südafrika tragen. In diesem Kontext sind auch die Werke der Fotoserie Go Bipa Mpa Ka Mabele, 2020, zu sehen. Der Titel bezieht sich auf ein Sprichwort der Bantu Sprache Setswana, das frei übersetzt so viel wie „verbergen“ oder „verborgen im Geheimnis“ bedeutet – Hinweis auf Dhlaminis genuines Interesse an der visuellen „Freilegung“ kultureller Praktiken und indigenen Wissens.
2021 konnte Mbali Dhlamini diese Thematik im Rahmen von Arbeitsaufenthalten in Kehinde Wileys Black Rock artist-in-residence program in Dakar, Senegal, und im Archiv des Ökumenischen Zentrums in Genf (Schweiz) noch einmal erweitern. Hier recherchierte sie zu Schweizer Missionaren, die seit Ende des 19. Jahrhunderts nach Südafrika geschickt wurden, um den evangelischen Glauben zu verbreiten, Kirchen zu gründen sowie medizinische Versorgung und Schulbildung anzubieten.
Das Foto Bugubedu lI zeigt die Künstlerin selbst in einem langen Gewand aus transparentem Material, mit geflochtenem Gürtel, einer Kopfhaube und einer schwarzen Bibel in der Hand. Der Blick von oben auf den Betrachter scheint die Dominanz kirchlicher Repräsentanz in Gestik, Mimik und Haltung zu übersetzen. Der einfache Schnitt des Gewandes folgt dem Stil religiöser Gewänder, wie sie von südafrikanischen Frauen für kirchliche Aktivitäten getragen wurden und der umfassenden Verhüllung des Körpers dienen sollten. Mit dem Wissen dieser Bezugnahme auf religiöse Traditionen ihres Heimatlandes ist Dhlaminis Exposition des nackt erscheinenden Körpers Zeichen einer radikalen Überschreitung von Konventionen. Zugleich wird der Eindruck der Nacktheit des Körpers durch die Reflektionen des Materials und die überlagernde farbige Silhouette zurückgenommen.
In mehreren Werkserien feiert Mbali Dhlamini [...] „die religiösen Frauen der African Independent Churches (AIC). Historisch gesehen wurden die AIC von schwarzen religiösen Führern gegründet, die sich entweder von den traditionellen Kolonialkirchen loslösten oder von der Erlöser-Theologie afroamerikanischer Missionare beeinflusst wurden, die um die Jahrhundertwende häufig das südliche Afrika besuchten. Obwohl diese Kirchen heute eine beträchtliche Anhängerschaft und ein hohes Ansehen genießen, waren ihre schwarzen nationalistischen Tendenzen unter der britischen Kolonialverwaltung bedrohlich. [...] Diese Frauen in ihren farbenfrohen und makellosen Kirchengewändern auf der Straße zu sehen, vor allem an Samstagen und Sonntagen, ist ein alltäglicher Anblick in der südafrikanischen Landschaft. Wie eine sakrosankte Schicht, die man anziehen kann, signalisieren die Kleidervorschriften, an die sich die Trägerin hält, soziale und gesellschaftliche Umgangsformen, den Betrachter*innen bereitwillig wahrnehmen und interpassiv genießen müssen, und den sie [die Trägerinnen] sofort ausführen, verkünden und bewusst einsetzen müssen. Eine Poetik der Beziehung und eine Aufführung der Würde“. (Athi Mongezeleli Joja)
“Bugubedu” bedeutet Rot in der Sprache Southern Sotho und bringt die enge Beziehung zum Rot der Erde zum Ausdruck. In der kontrastreichen, schwarzweißen Variante des Motivs vermitteln die Reflexionen den Eindruck spiritueller Aufhebung der rein materiellen Körperlichkeit – eine optische „Verhüllung“ durch Enthüllung. Der Titel Ya fanang ka seatla se bulehileng otla hlonolofatswa ist eine religiös grundierte Redewendung der Sprache Sesotho: "Wer mit einer offenen Hand gibt, wird gesegnet.“ Ausdruck einer tief verwurzelten kulturellen Überzeugung, dass Freigiebigkeit und Selbstlosigkeit positive Auswirkungen auf das eigene Leben haben.
Ausbildung
2016
Master of Fine Arts, University of Witwatersrand, Johannesburg, Südafrika
2013
Bachelor of Technology (Fine Art), University of Johannesburg, Johannesburg, Südafrika
2012
National Diploma (Fine Art), University of Johannesburg, Johannesburg, Südafrika
2009
Advanced Printmaking, Artist Proof Studio, Johannesburg, Südafrika
Einzelausstellungen
2022
Go Bipa Mpa Ka Mabele, Sakhile&Me, Frankfurt, Deutschland
2015
Non-pomised Land: Bana Ba Thari Entsho, Constitutional Hill, Johannesburg, Südafrika
Gruppenausstellungen
2023
Intimations, Sakhile&Me, Frankfurt, Deutschland
Le 19m, Théodore Monod African Art Museum, Dakar, Senegal
2022
Buffer Zones, Javett Art Centre at the University of Pretoria, Johannesburg, Südafrika
Black Rock 40, Curated by Kehinde Wiley, Dak’art Contemporary Art Biennale, Dakar, Senegal
2021
Self-Addressed, Curated by Kehinde Wiley, Jeffrey Deitch, Los Angeles (CA), USA
Friendship. Nature. Culture, Daimler Art Collection, Berlin, Deutschland
I See You, Blue, Everywhere, Black Rock Senegal, Dakar, Senegal
2020
Spatial Fabrications: An Uninhabitable World, Fak’ugesi Festival, Online
Time in transition, The Frankfurt Art Experience, Frankfurt, Deutschland
Figures, Sakhile&Me, Frankfurt, Deutschland
2019
Personal Structures - Identities, European Cultural Center, Venedig, Italien
Les sabar artistiques, Dakar, Senegal
2018
E.A.S.T Station #2: Rendering Visible, Island, Brüssel, Belgien
Open Lab – Ephemeral Archival Station #1, La Colonie, Paris, Frankreich
2017
Zig Zag, RAW Material Company, Dakar, Senegal
2016
Woza Moya, Goethe on Main Project Space, Johannesburg, Südafrika
2015
See Africa, African Futures Festival, Johannesburg, Südafrika
TWENTY: Art in the Time of Democracy, University of Johannesburg, Johannesburg, Südafrika; The Pretoria Art Museum, Pretoria, Südafrika; Beijing Biennale, Peking, China
2014
Only Parts, University of the Witwatersrand, Johannesburg, Südafrika
The Longest Night, University of the Witwatersrand, Johannesburg, Südafrika
South African Voices: A New Generation of Printmakers, Washington Printmakers Gallery, Washington (D.C.), USA
Sasol New Signatures, Association of Arts Pretoria, Pretoria, Südafrika
2013
Some Went Mad, Some Ran Away, University of Johannesburg, Johannesburg, Südafrika
Afrika Rea Bolela (Afrika Let's Talk): ARTiculating the constitution, Constitutional Hill, Johannesburg, Südafrika
Afrika Day, Constitutional Hill, Johannesburg, Südafrika
North-South: Student Showcase, Tshwane University of Technology, Pretoria, Südafrika; Central University of Technology, Bloemfontein, Südafrika; University of Johannesburg, Johannesburg, Südafrika; Vaal University of Technology, Gauteng, Südafrika
2012
Images of Women, Upstairs at Bamboo (Vula Amehlo Art Development), Johannesburg, Südafrika
Bronze Age(less), Pretoria Art Association, Pretoria, Südafrika
Lehrerfahrung
2022
Lecturer (Fine Art), University of Witwatersrand, Johannesburg, Südafrika
2021
Sessional lecturer (Fine Art), University of Witwatersrand, Johannesburg, Südafrika
Stipendien & Auszeichnungen
2022
Visionary Award (mit Preempt Collective), Tim Hetherington Trust und das Javett Art Centre an der University of Pretoria, Pretoria, Südafrika
2021
Art and Stories Laureate, Embassy of Foreign Artists, Carouge, Schweiz
Artist-in-Residence, Black Rock Senegal, Dakar, Senegal
2017
RAW Academy Fellowship, RAW Material Company, Dakar, Senegal
Sammlungen
JP Morgan Corporate Collection, Paris, Frankreich
Mercedes-Benz Art Collection, Berlin/Stuttgart, Deutschland
voices from abroad⎮Dhlamini, Okore, Siwani
9. November 2024 - 8. Februar 2025
Dr. Renate Wiehager, Kuratorin
Untitled - Afrique Occidentale, Jeune Femme, 2017
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